Stricken im Kino: Weltweiter Trend begeistert die Maschenfans

Norderstedt. Stricken und Häkeln ist bei jüngeren Generationen angesagt, aber bitte nicht zuhause auf dem Sofa. Es muss besonders sein, je außergewöhnlicher die Orte zum Handarbeiten, um so interessanter: im Café, auf einer Barkassentour durch den Hamburger Hafen, bei Fährfahrten nach Island oder – im Kino. Der Clou dabei: Das Saallicht bleibt leicht gedimmt an, damit den Maschenfans kein fadenziehendes Malheur passiert.

Auch das Spektrum-Kino Norderstedt macht den Hype mit – das Abendblatt war beim ersten „Strick-Kino“ dabei.

Die Freundinnen Anna Eckert und Jennifer Nichlitz aus Hamburg-Niendorf haben es sich am späten Sonntagnachmittag mit 35 Anderen in den weichen Kinosesseln gemütlich gemacht, um den Film „Wunderschöner“ von Karoline Herfurth zu sehen. In der einen Hand ein Gläschen Sekt, in der anderen ihr Strickzeug, das gleich zum Einsatz kommen soll. „Theoretisch kann ich stricken, ohne hinzusehen. Ob das wirklich klappt, werde ich später sehen. Bisher lief der Fernseher beim Stricken allerdings eher als Hörspiel“, unkt Anna Eckert, deren bunt gestreiftes Dreieckstuch bereits eine stattliche Größe hat.

Auch Bianca Arslam ist neugierig auf den neuesten Maschen-Trend. „Ich habe im Radio von den ungewöhnlichen Strick-Events in der Astor Film-Lounge in der HafenCity gehört und mich gefreut, dass es so etwas auch bei mir vor der Haustür gibt“, sagt die Norderstedterin. Mit ihrem „Werkstück“ hat sie sich allerdings viel vorgenommen: ein gehäkeltes Oversized-Shirt mit einem riesengroßen Totenkopf. Das Muster hat sie als DIN A4-Ausdruck dabei. Mit einem Schmunzeln erklärte Bianca Arslam: „Das Motiv ist bei mir Pflicht – ich komme eben aus einer Rockerfamilie.“

Dann wird es dunkel – das heißt, ein bisschen, so wie in den Eispausen zwischen der Werbung und dem Film. Statt dem üblichen Rascheln der Popcorntüten hört man leise metallisches Klappern der Stricknadeln. Ein Blick in die umliegenden Reihen zeigt: „Strecke“ will heute keiner mit den Handarbeiten machen. Manche stricken nur in Zeitlupe, immer öfter bleibt der Blick an der Leinwand hängen – zu fesselnd ist der Film über die Schicksale von vier Frauen, drei Männern und ihre Geschlechterrollen.

Die Idee für das erste Norderstedter „Strick-Kino“ hatte Tanja Weist. Schon als Schulkind war ihre Begeisterung für Garn und Faden geweckt – „seitdem bin ich nicht mehr von den Nadeln losgekommen“, sagt die 39-Jährige lächelnd. Von Mützen und Socken über Pullover bis zu Röcken und Kleidern hat die Norderstedterin bereits viele verschiedene Kleidungsstücke kreiert und geschaffen.

Als bekennende Strick-Enthusiastin veranstaltet sie jeden ersten Freitag im Monat von 16 bis 21 Uhr Treffen für Gleichgesinnte im Café May in Hamburg-Alsterdorf. Dabei geht es um Kreativität und Austausch in entspannter Atmosphäre, denn ein gemeinsames Hobby verbindet. Das ist auch, was Strick- und Häkelfreundinnen ins Kino zieht: die Kombination aus Filmgenuss und entspannender Handarbeit  – ein Form moderner Freizeitgestaltung.

„Den Trend mit dem Stricken im Kino hat sich bereits in vielen Länder weltweit etabliert und die Begeisterung wächst stetig“, erzählt Tanja Weist, die bis Ende 2023 nebenberuflich einen Online-Shop für eigene per Hand gefärbte Garne hatte und bei der VHS Strickkurse gab. Unter ihren Accounts „Faserliebe“ bei Facebook und Instagram folgen der Norderstedterin mehrere Tausend Interessierte.

„Da ich oft auf Strick-Kino-Veranstaltungen in Hamburg angesprochen wurde, die immer sehr schnell ausverkauft sind, habe ich bei unserem Spektrum Kino in der Rathausallee angefragt, ob sie sich so ein Event auch vorstellen könnten.“ Theaterleiterin Jasmin Frentzen war sofort begeistert: „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Ideen. Neben unseren innovativen Angeboten wie Filmcafé, Mädelsabend oder Music on Screen passt das angesagte Strick-Kino bestens dazu.“

Für die Premiere durfte sich Tanja Weist sogar den Film aussuchen. „Ich mag die Schauspielerin Karoline Herfurth sehr gerne. Mir hat schon ihr Erfolgsfilm ‚Wunderschön‘ so gut gefallen, dass ich mir mit ‚Wunderschöner‘ die Fortsetzung gewünscht habe.“ Ein Film, der emotional unter die Haut geht, und so die Maschenkünstlerinnen mehr oder weniger von ihrem Strickwerk ablenkte.

Als das Saallicht wieder komplett angeht, wischt sich so manche Besucherin eine Träne aus dem Augenwinkel, ehe die Handarbeiten wieder in Beuteln und Taschen verstaut wurden. 

„Ein wirklich toller und besonderer Kinoabend, der unbedingt eine Fortsetzung haben muss“, resümiert Anna Eckert. „Ich bin auf jeden Fall wieder dabei, dann allerdings mit einer kleinen Umhängelampe, denn die Beleuchtung war mir doch etwas zu schwach.“ Auch Bianca Arslam hat der Abend großen Spaß gemacht: „Ich bin zwar nicht wirklich vorangekommen, weil mein Totenkopf-Häkelmuster, bei dem ich ständig zählen muss, für dieses Event zu kompliziert war, aber das nächste Mal nehme ich mir etwas Einfacheres wie einen Mini-Schal mit.“

Der nächster Termin für das „Strick-Kino“ im Norderstedter Spektrum Kino ist am Samstag, 28. Juni, um 15 Uhr. Gezeigt wird der Kult-Tanzfilm „Dirty Dancing“ mit Patrick Swayze und Jennifer Grey. Zur Musik von „Hungry Eyes“ und „Be my Baby“ klappern dann im Rhythmus die Stricknadeln.