Junge Krebspatienten gehen per "Avatar" zur Schule

Norderstedt Die elfjährige Carlotta hat Leukämie und kann wegen ihrer Erkrankung und der Therapie seit den letzten Herbstferien nicht zur Schule gehen. Und dennoch ist sie weiterhin im Klassenraum präsent – mithilfe eines innovativen Avatars. Über ihren virtuellen Stellvertreter in der Größe eines Teddybären nimmt sie weiterhin am Unterricht teil. Von zuhause ist das Mädchen über ein Tablet mit der 6d des Lessing Gymnasiums per Livestream verbunden. Darüber steuert Lotti, wie sie von ihren Klassenkameraden genannt wird, ihren Telepräsenzroboter mit eingebauter Kamera, Mikrofon und Lautsprecher. Sie kann ihn drehen, den Kopf heben und senken sowie mit Augen und Leuchtdioden Emotionen mitteilen. Das ist wichtig, denn zwar kann Lotti ihre Mitschüler und Lehrer sehen, andersherum jedoch nicht – zum Schutz des erkrankten Kindes.

13 Avatare des norwegischen Herstellers No Isolation hat die Schleswig-Holsteinische Krebsgesellschaft im Einsatz, die auf Anfrage kostenlos ausgeliehen werden können. „Während der Zeit der Erkrankung sind die Kinder durch Abwesenheit im Schulunterricht und bei Freizeitaktivitäten oft sozial isoliert, was zu Einsamkeit und einem geringeren Selbstwertgefühl führen kann. Um das zu vermeiden und im Austausch zu bleiben, bieten wir eine Art Stellvertreter an“, sagt Katharina Papke von der Krebsgesellschaft. Der Bedarf sei groß, schließlich erkranken im Norden pro Jahr 70 bis 80 Kinder an Krebs. „Das innovative Projekt hat einen enormen Mehrwert und macht anderen Kindern Mut“, urteilt Bildungsministerin Karin Prien und beschafft derzeit fünf weitere Avatare (Kosten jeweils 3000 Euro), die über das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) zum Einsatz kommen sollen.

Carsten Apsel, Schulleiter des Lessing Gymnasiums, spricht von einem Quantensprung in der Teilhabe, „bisher konnten wir nur mit iPads arbeiten.“ Und Lotti? „Manchmal ist das Bild verpixelt oder bleibt stehen. Die Qualität könnte etwas besser sein, aber Hauptsache, ich bin dabei – auch wenn es mir mal nicht so gut geht.“ Auch wenn das Mädchen weiterhin in der Klassengemeinschaft mittendrin ist – einiges vermisst es dennoch: „Den gemeinsamen Schulweg und die Pausen auf dem Schulhof mit meinen Freundinnen.“ Wenn alles gut läuft, will Lotti nach den Sommerferien wieder selbst in die Schule zu gehen. Der Avatar könnte dann einem anderen Kind helfen, den Schulalltag zu erleben und mit seinen Klassenkameraden in Kontakt zu bleiben